Der Schneemann und das Mädchen – Eine fast vergessene Winterlegende aus dem Erzgebirge
Es ist ein kalter Winterabend im Erzgebirge. Die Dächer sind mit Schnee bedeckt, die Wälder wirken wie verzuckert, und in den kleinen Dörfern flackert warmes Licht hinter den Fenstern. Hier, wo die Berge still und geheimnisvoll in den Himmel ragen, erzählt man sich eine besondere Geschichte – die Legende vom „Schneemann und dem Mädchen“.
Es ist eine Geschichte über Einsamkeit, Freundschaft und die Magie des Winters, die fast in Vergessenheit geraten ist. Doch sie lohnt es, wieder erzählt zu werden. Also hol dir eine Tasse heißen Glühwein oder Kakao, mach es dir gemütlich und tauche ein in diese berührende Erzgebirgslegende.
Die Legende vom Schneemann und dem Mädchen
Vor langer Zeit, in einem kleinen Dorf im Erzgebirge, lebte ein Mädchen namens Lina. Sie war ein fröhliches Kind, doch seit ihre Mutter gestorben war, fühlte sie sich oft einsam. Ihr Vater, ein Holzfäller, war den ganzen Tag im Wald, und die anderen Kinder im Dorf spielten lieber miteinander, als sich mit dem „traurigen Mädchen“ abzugeben.
Eines Tages, als ein besonders harter Winter das Dorf in eine weiße Decke hüllte, beschloss Lina, einen Schneemann zu bauen. Sie formte ihn liebevoll, setzte ihm eine alte Mütze auf und steckte zwei Kohlen als Augen ins Gesicht. „Du bist jetzt mein Freund“, flüsterte sie und lächelte zum ersten Mal seit Wochen.
Doch dann passierte etwas Seltsames: Als die Glocken der Dorfkirche Mitternacht läuteten, begann der Schneemann zu sprechen.
„Warum bist du so traurig, Lina?“, fragte er mit einer Stimme, die klang, als würde der Wind durch die Bäume rauschen. Lina rieb sich die Augen – hatte sie das nur geträumt? Doch der Schneemann lächelte sie an, und seine Kohleaugen funkelten warm.
„Ich vermisse meine Mama“, gestand Lina. „Und ich habe keine Freunde.“
Der Schneemann seufzte. „Ich kenne das Gefühl. Auch ich bin nur für kurze Zeit da. Doch solange ich stehe, werde ich auf dich aufpassen.“
Und so wurde der Schneemann Linas geheimer Freund. Jeden Abend, wenn die Dorfbewohner schliefen, kam er zum Leben. Sie erzählten sich Geschichten, lachten über die Eiskristalle, die wie Diamanten in der Luft tanzten, und träumten davon, eines Tages den „Weißen Berg“ zu sehen – einen mystischen Ort hoch oben in den Bergen, an dem, so sagte man, die Schneeflocken geboren werden.
Doch mit jedem wärmeren Tag wurde der Schneemann kleiner. Lina versuchte, ihn mit neuem Schnee zu stärken, doch sie wusste: Sein Schicksal war es, zu schmelzen.
An seinem letzten Abend sagte der Schneemann: „Weine nicht, Lina. Unser Winter war schön, aber jetzt kommt der Frühling – und mit ihm neue Freunde. Und wer weiß, vielleicht sehen wir uns wieder, wenn der nächste Schnee fällt.“
Am nächsten Morgen war nur noch ein kleiner Haufen Schnee übrig – und darin glitzerte etwas. Lina hob es auf: Ein winziger Eiskristall in Form eines Sterns. Sie steckte ihn in ihre Tasche und spürte, wie er sanft in ihrer Hand warm wurde.
Was steckt hinter der Legende?
Diese Geschichte wird im Erzgebirge schon seit Generationen erzählt, doch ihre Ursprünge sind unklar. Einige glauben, sie sei eine Erinnerung an die Einsamkeit der Bergleute und ihrer Familien, die im Winter oft wochenlang von der Außenwelt abgeschnitten waren.
Andere sehen darin eine Metapher für Vergänglichkeit und Hoffnung – ähnlich wie der Schnee, der kommt und geht, aber immer wiederkehrt.
Fotos: ©wacomka – stock.adobe.com
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