Der Schwibbogen – Licht, Heimat und ein Stück Geborgenheit

Der Schwibbogen – Licht, Heimat und ein Stück Geborgenheit

Der Schwibbogen – Licht, Heimat und ein Stück Geborgenheit

Wenn in Deutschland die Tage kurz und die Nächte lang werden, beginnt für viele Menschen die wohl stimmungsvollste Zeit des Jahres: In den Fenstern vieler Teilen des Landes leuchten Schwibbögen und tauchen ganze Straßen in ein warmes, goldenes Licht. Besonders in Regionen wie dem Erzgebirge, dem Vogtland oder Thüringer Wald gehört der Schwibbogen so selbstverständlich zur Adventszeit wie Stollen und Räucherkerzen.

Doch woher kommt diese Tradition?

Die Geschichte des Schwibbogens – vom Eisenbogen zum Weltsymbol

Um die Faszination des Schwibbogens wirklich zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf seine Entwicklung über mehrere Jahrhunderte. Denn aus einem einfachen Lichterbogen für Bergleute ist Schritt für Schritt ein Symbol geworden, das heute weltweit für sächsische und erzgebirgische Weihnachtstradition steht.

Die Anfänge im 18. Jahrhundert

Der Ursprung des erzgebirgischen Schwibbogens liegt im Montanwesen des 18. Jahrhunderts. Als ältester bekannter Schwibbogen gilt ein Metallbogen aus Johanngeorgenstadt, der um 1740 datiert wird und dem Bergschmied Johann Christian (oder Johannes) Teller zugeschrieben wird.[1][5]

Dieser frühe Bogen war aus Eisen geschmiedet und mit mehreren Kerzentüllen ausgestattet. Er stand vermutlich an hohen Festtagen in der Kirche oder in einer wohlhabenden Stube. Die Motive waren anfangs überwiegend christlich geprägt – biblische Szenen, Symbole von Erlösung und Licht.[2][3]

Bemerkenswert ist: Entgegen der heute verbreiteten Annahme symbolisiert der Bogen ursprünglich nicht direkt das Mundloch eines Bergstollens. Frühere Schwibbögen zeigen eher eine Mischung aus christlichen Darstellungen sowie Sonne, Mond und Sternen – also kosmischen Lichtsymbolen.[3]

Schwibbogen

19. Jahrhundert: Vom kirchlichen Festlicht in die bürgerliche Stube

Im 19. Jahrhundert wandert der Schwibbogen langsam aus den Kirchen und repräsentativen Räumen in die bürgerlichen Wohnstuben. Der Bergbau prägt weiterhin das Leben im Erzgebirge, und so tauchen zunehmend auch Bergleute als Figuren im Halbrund der Bögen auf – oft mit Schlegel und Eisen, Federbusch und Grubenlampe.[1][4]

Gleichzeitig verändert sich die Funktion: Aus einem reinen Festlicht wird ein bewusst gestaltetes Heimobjekt, das zu Weihnachten hervorgeholt wird. Die Tradition, den Schwibbogen in die Fenster zu stellen, damit das Licht nach außen strahlt, beginnt sich zu verfestigen. Für die Bergleute, die in der Dunkelheit der Stollen arbeiten, wird das leuchtende Fenster mit Schwibbogen zu einem emotionalen Orientierungspunkt: Zeichen von Zuhause, Geborgenheit und Gemeinschaft.[1][4]

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Frühes 20. Jahrhundert: Der Holzschwibbogen entsteht

Die heute so bekannte hölzerne Form des Schwibbogens entwickelt sich erst im frühen 20. Jahrhundert.[2] Die erzgebirgische Holzkunst – zuvor vor allem für Spielzeug, Nussknacker und Pyramiden bekannt – nimmt den Lichterbogen in ihr Repertoire auf.

In dieser Zeit entstehen auch die ersten mehrreihigen Holzschwibbögen, bei denen sich Motive in mehreren Ebenen hintereinander staffeln. Technisch wird dies durch feinere Sägearbeiten, bessere Werkzeuge und Erfahrungen aus der Spielzeugherstellung möglich.

Ein wichtiger Meilenstein ist ein Großschwibbogen, der in den 1930er-Jahren nach einem Entwurf der Leipziger Illustratorin Paula Jordan entstand. Ihr Motiv vereinte verschiedene traditionelle Elemente, wurde von Bergschmiedemeistern umgesetzt und als mehrere Meter hoher Schwibbogen für eine Ausstellung gefertigt. Später fand er seinen Platz in Johanngeorgenstadt und gilt bis heute als eindrucksvolles Beispiel dafür, wie stark der Schwibbogen bereits damals das Selbstverständnis der Region prägte.[3]

DDR-Zeit: Volkskunst, Export und Identität

Nach dem Zweiten Weltkrieg und mit Gründung der DDR nimmt die Geschichte des Schwibbogens eine neue Wendung. Viele erzgebirgische Betriebe werden verstaatlicht oder in volkseigene Betriebe (VEB) überführt. Die Holzkunst – inklusive Schwibbögen – wird zu einem wichtigen Devisenbringer: Ein großer Teil der Produktion geht in den Export, insbesondere in den Westen.[4]

Trotz dieser wirtschaftlichen Ausrichtung bleibt der Schwibbogen für die Menschen im Erzgebirge ein Stück gelebter Alltagskultur. In vielen Orten entstehen Heimarbeitsstrukturen: Familien fertigen Teile in Handarbeit, die dann in zentralen Werkstätten montiert werden.

In der Adventszeit leuchten Schwibbögen in nahezu jedem Fenster der Bergstädte – nicht nur als Weihnachtsschmuck, sondern auch als stilles Bekenntnis zur eigenen regionalen Identität. Großschwibbögen an Ortseingängen oder auf Marktplätzen werden in dieser Zeit ebenfalls populär und prägen das winterliche Landschaftsbild.

Nach 1990: Wiedervereinigung und neue Blüte

Mit der Wiedervereinigung 1990 stehen viele Werkstätten zunächst vor großen Herausforderungen: neue Märkte, Konkurrenz durch Billigimporte, Umstrukturierungen. Gleichzeitig wächst im In- und Ausland das Interesse an authentischer erzgebirgischer Volkskunst.

Viele traditionelle Betriebe werden privatisiert oder als Familienunternehmen neu gegründet. Das Gütesiegel „Echt Erzgebirge – Holzkunst aus dem Erzgebirge“ etabliert sich als Qualitätsmerkmal für Produkte, die tatsächlich in der Region gefertigt werden.[4]

Der Schwibbogen profitiert von dieser Entwicklung gleich doppelt:

  • Touristisch wird er zum Aushängeschild des Erzgebirges. Adventsreisen, Weihnachtsmärkte und Lichterfahrten locken Besucher an, die die leuchtenden Fenster und Großschwibbögen vor Ort erleben wollen.
  • Gestalterisch entstehen neue Varianten: moderne Motive, Stadtsilhouetten, Kombinationen aus Holz, Metall und Acrylglas, dezente LED-Technik – ohne die traditionellen Formen zu verdrängen.[1][4]

Heute und morgen: Tradition in Bewegung

Heute gehört der Schwibbogen fest zum weihnachtlichen Erscheinungsbild nicht nur des Erzgebirges, sondern vieler Städte in ganz Sachsen – von Dresden bis Chemnitz. Gleichzeitig findet er seinen Weg in Wohnungen weit über Deutschland hinaus.

Billigimporte wirken auf den ersten Blick ähnlich, zeigen aber oft bei näherem Hinsehen grobe Verarbeitung, mangelhafte Elektrik und wenig Liebe zum Detail. Wer Wert auf Langlebigkeit und regionale Handwerkskunst legt, fährt mit Originalen aus dem Erzgebirge besser – und unterstützt zugleich die Traditionsbetriebe der Region.

Fotos: coz1421 – stock.adobe.com; (c)Photo-SD – stock.adobe.com

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